02.10.2020
„Die Regale der Welt werden gerade umgebaut“
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Er sei nicht gerade begeistert gewesen, als er feststellen musste, dass in seinem Discounter die Regale umgebaut worden waren und er das Katzenfutter nicht finden konnte.
Natürlich ging es Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender der Grünen, in seiner Lesung gestern im Stadeum nicht um Katzenfutter, sondern um die Reaktionen der Menschen auf die stattfindenden Veränderungen in der Welt.
Das Gewohnte ständig zu hinterfragen und offen sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen ist nicht einfach. Die Folgen der Klimakrise sind zu groß, um dafür beruhigende Bilder zu finden. Seit Beginn der Moderne stehen die antiken Götter und der christliche Gott nicht mehr zur Verfügung, um die Angst vor offenen Weltveränderungen zu mildern.
Die Sprache ist dabei von zentraler Bedeutung: „Wie wir sprechen, entscheidet darüber, wer wir sind, wer wir sein könnten.“ Das ist keine Stilfrage, denn die politische Sprache schafft Wirklichkeit, wie der Begriff „Asyltourismus“, der Flüchtlinge und Fluchtursachen herabwürdigt.
Gerade Populisten wie Trump verschließen sich der aktuellen Notwendigkeit, gemeinsam über den besten Weg mit Argumenten zu streiten. Sie schreien nur, sehen die Welt nur schwarz-weiß, fühlen sich wie die Esoteriker als Opfer und sind rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich. Wenn du einen Hammer hast, sehen alle Probleme wie Nägel aus und die Lösung heißt draufschlagen, zitierte er ein englisches Sprichwort.
Habeck schlug vier Grundsätze vor, wie die Politik auf die auseinander driftenden Weltsichten reagieren sollte:
1. Selbstkritisch die eigene Sprache hinterfragen,
2. Veränderungen bewusst gestalten, um sie beherrschen zu können,
3. Macht muss sich anders denken: Einvernehmen statt Ausgrenzung sei nötig, auch der politische Gegner muss sich respektiert fühlen,
4. Mit Hoffnung und Zuversicht eine offene Gesellschaft gestalten.
Er verabschiedete sich mit den Worten: „Es ist nicht schwer, andere herunter zu machen, deshalb: bleiben wir selbst verletzlich, bleiben wir zuversichtlich.“
Er wurde großem Beifall der Zuhörer im ausverkauftem Stadeum belohnt.
Sein Buch „Wer wir sein könnten. Warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht.“ ist im Buchhandel erhältlich, „aber nur bei Buchhändlern kaufen, die auch Steuern zahlen“ merkte Habeck mit Blick auf den Online-Händler mit dem großen A an. (JB)
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